10 GESCHÄFTSBERICHT 2014Deutsche EuroShop SHOPPING Demografischer Wandel Kein Patentrezept, doch viele W er am Markt er- folgreich sein will, der muss sich auf den de- mografischen Wandel einstellen. Die Klischees über den typischen Senio- ren treffen aber nicht mehr zu. Die neuen Alten sind fitter und pflegen einen individuellen Lifestyle. Die Tendenz zum One-Stop-Shopping mit Erlebnischarakter ist hier die große Chance der Einkaufszentren – sofern sie ihre älteren Kunden zu ver- stehen lernen. Der Wirtschaftswissenschaft- ler Prof. Dr. Tobias Just von der Uni- versität Regensburg vergleicht den demografischen Wandel mit einer „Gletscherbewegung“. Just ist gleich- zeitig auch wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie. Die schleichende Entwicklung kommt daher, dass nach dem Zwei- ten Weltkrieg die jährlichen Gebur- tenzahlen bis Mitte der 1960er-Jahre stark anstiegen. Diese geburtenstar- ken Jahrgänge – die sogenannten Babyboomer – gehen in den kom- menden Jahrzenten in Rente. Ab den 1970er-Jahren gingen die Geburten pro Jahrgang zurück. reichend Parkplätze, die breit genug sind, sollten gerade bei den Immobi- lien auf der grünen Wiese vorhanden sein. Auch bei der Ladengestaltung muss man die Senioren im Blick ha- ben. Breite Gänge, keine Waren in tiefen Regalen, die unter Umstän- den nicht erreicht werden können. Sitzgelegenheiten für Ruhepausen. Das alles sind Beispiele dafür, wo- durch eine erhöhte Einkaufs- und Aufenthaltsqualität geschaffen wer- den kann. Ein anderer Trend, der im Kielwas- ser des demografischen Wandels schwimmt, ist die steigende Zahl der Single-Haushalte in Deutsch- land. Mehr als ein Drittel seien es be- reits, wie das Statistische Bundesamt Mitte 2014 bekannt gab. Und so wer- den sich die Veränderungen in der Bevölkerung auch auf die Produkte durchschlagen. Die Packungen wer- Das Statistische Bundesamt prog- nostiziert daher, dass der Anteil der unter 20-Jährigen von rund 18,1% im Jahr 2013 bis 2060 auf 15,7 % zurückgehen wird. Im gleichen Zeitraum steigt die Zahl der Men- schen, die 60 Jahre und älter sind, von 27,1 auf 39,2%. Die Bevölke- rung schrumpft zudem von 80,3 auf 70,1 Millionen Einwohner. Die „neuen Alten“, wie die Ge- nerali Altersstudie von 2013 sie nennt, sind aber nicht mehr mit den Senioren von früher zu verglei- chen. Bereits heute sind die 65- bis 85-Jährigen aktiver und finanziell besser gestellt als jemals zuvor. Die Lebenszufriedenheit ist hoch. Sozi- ale Kontakte werden gepflegt. Und die Älteren legen einen verstärkten Wert auf Autonomie. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Folgestudie. Sie wurde im Frühjahr 2014 unter dem Titel „Der Ältesten Rat“ veröffent- licht. Im Blick sind hier die 85- bis 99-Jährigen. Und diese Hochbetag- ten wollen ebenso aktiv am gesell- schaftlichen Leben teilnehmen. Das Bild der Alten in der Gesell- schaft wandelt sich ebenso, wie die den kleiner. Preis- und Informations- schilder werden größer. Und gesund- heitliche Aspekte kommen stärker zum Tragen. Und nicht zu vergessen ist, dass die Senioren viel Zeit zur Verfügung haben, die sie sich frei einteilen kön- nen. Der Online-Handel wird hier indirekt zur Konkurrenz für die sta- tionären Geschäfte. „Der Kunde wird zukünftig nicht mehr unterscheiden, ob er on- line oder stationär einkauft“, glaubt Michael Reink, Bereichsleiter Stand- ort und Verkehrspolitik beim Han- delsverband Deutschland (HDE). Die Grenzen verwischen. Für die heuti- gen und vor allem für die zukünfti- gen Senioren sind Smartphone und Tablet keine Fremdwörter mehr. Sie generieren einen großen Teil des Wachstums in diesem Marktseg- ment. Ob sie sich für den Online- Handel entscheiden oder doch lieber Alterspyramide nach oben hin brei- ter wird. Tobias Just spricht deswe- gen lieber über die Chancen des de- mografischen Wandels als über die Risiken. Einer pessimistischen Sicht auf das Thema, wie sie der im Som- mer verstorbene Journalist Frank Schirrmacher beispielswiese in dem Buch „Das Methusalem-Kom- plott“ einnimmt, will er sich nicht anschließen. In seinem eigenen Buch „Demo- grafie und Immobilien“ schildert er, wie sich die Betreiber von Handels- immobilien gegen Verschiebungen in der Bevölkerung rüsten können. Der Service sei hier einer der wich- tigsten Faktoren. Die älteren Kunden schätzen die Beratung und die soziale Komponente, die mit ihr verbunden ist. Ebenso wollen sie einen Liefer- und Aufbauservice. Letzteres hat bei- spielsweise der schwedische Möbel- händler Ikea erkannt. Ältere Menschen schätzen es darüber hinaus, ihre Einkäufe in der Nähe ihres Wohnorts zu erle- digen. Die Geschäfte müssen für sie fußläufig erreichbar oder gut an das Netz des öffentlichen Personennah- verkehrs angeschlossen sein. Aus- Die Bevölkerung schrumpft, die Lebenserwartung der Menschen steigt. Gleichzeitig wächst die Zahl der Single-Haushalte in den Städten. Das hat Folgen. Auch der Einzelhandel und die Shoppingcenter-Branche sind davon betroffen. » Ältere Menschen schätzen es darüber hinaus, ihre Einkäufe in der Nähe ihres Wohnorts zu erledigen.