sprich die Lauf- und Fahrlagen der Städte gegen die omni- präsenten Surflagen der Pure Player an. Mit Blick auf er- folgreich abgewendete Stadtverödung in Bath, Bristol und Liverpool plädiert er für eine Stadtwende, um die Han- delswende zu meistern. Nachweislich attraktiv seien Orte, die klassische Shoppingmall-Qualitäten wie Marken- labels, Ladenvielfalt, Komfort, Atmosphäre und professi- onelles Management mit kleinteiliger Urbanität und Quar- tiersflair einen.Frei interpretiert heißt das,höchstzahlende Mieter allein locken noch keinen Online-Shopper hinterm Bildschirm hervor. Erst im Mix mit vitaler Gastronomie, Freizeit- und Spielattraktion, aber auch mit Gesundheits- adressen und Bürgerservice ist den Einkaufsorten auch künftig Magnetkraft sicher. Wer die moderne Shopping- center-Entwicklung in Deutschland verfolgt, kann genau diese Trends auch dort ablesen. N Onlinehandel funktioniert autistisch, doch City und Han- del brauchen einander. Wollen wir nicht irgendwann auf das Internet angewiesen sein, zählt das Investment in Stadt und Handel mehr denn je. Integrieren statt ignorieren! Seit 1998 ist Amazon im Buchmarkt aktiv, 2014 plant das Unternehmen in den Lebensmittelhan- del einzusteigen. Der gilt, mit Onlineumsätzen von unter 0,3%, als letz- te Bastion stationärer Glückseligkeit – im Ge- gensatz zu Medien und Mode, die laut Statista mittlerweile zu 29% bzw. 18% ins Netz abwanderten. Doch die Krämer sind lernfähig! Vor zehn Jahren setzte der Buchhändler Thalia dem Cyber- angriff größere Läden und üppigere Auswahl entgegen. Dabei unterschätzte er nicht nur die schier uferlose An- gebotsvielfalt im Netz, sondern auch das Kundenbedürfnis nach Bestellautonomie und Bequem- lichkeit. Ob Edeka, REWE oder Ten- gelmann – schon längst haben die Lebensmittler eigene Liefer- sowie „Click and Collect“-Services (online Bestelltes im Laden abholen) erprobt und sind für die veränderten Kaufbe- dürfnisse gewappnet. Multi- oder Omnichannel nennt man diese Konzepte, die den elektroni- schen mit dem stationären Handel verzahnen. Und die feiern bei den Filialisten Hochkonjunktur. Nicht zuletzt auch, weil „Click and Collect“- Abholstationen Anreize zum Ladenbesuch schaffen. „Inzwischen wird jede zehnte Onlinebestellung aus einer Filiale geschickt, weil Kunden Artikel im Laden sehen und mit dem Mobilgerät bestellen“, erklärt DHL-Vice President Business Development Marcel Beelen. Zudem sind die Investitionen in die Einkaufsatmosphäre als wichtigsten Wettbe- werbsvorteil gegen die virtuelle Einkaufswelt auf einem Höchststand. 4,8 Mrd.€ für Ladenausbau und -umbau meldete das Europäische Han- delsinstitut. Erfreulich ist auch, das Vor-Ort-Händler ein starkes Selbstbewusstsein dafür entwickeln, was sie Kunden zu bieten haben: Mit verhängten Schaufenstern und Paketannahmeverweigerung pro- testierten Hamburger Kaufleute gegen das geschäftsschädigende Showrooming – offline geschaut, online gekauft. Ein Münchener Foto- händler verlangt bis zu 25€ für Beratung, was beim Produktkauf ver- rechnet wird. Und mit der Kampagne „Lass den Klick in deiner Stadt“ warben Augsburger Händler, unterstützt vom lokalen Fernsehen und Radio, für den Einkauf im Ort. Eine Maßnahme, die durchweg Sympa- thien für die oft langjährigen Traditionshändler weckte! Immerhin 38% der im Nachgang Befragten wollen nun ihr Kaufverhalten ändern. Der Sender wird seither von kommunalen Anfragen überhäuft, weitere Kam- pagnen von Aschaffenburg bis Würzburg gehen bald an den Start. N Der stationäre Handel wird jeden Tag ein bisschen besser darin, das Beste zweier Einkaufswelten miteinander zu verbinden. FAZIT: Die Sendung mit der „Mouse“ lässt sich nicht verbieten! Fortschritt ist bekanntlich nicht aufzuhalten, aber er lässt sich steuern. Längst gehört der bequeme Kaufklick zum modernen Einkaufsleben dazu. Zum Glück hat der stationäre Handel begriffen, dass er in der Pole- Position sitzt, um vor Ort Einkaufsfreuden mit digitaler Bestelllust zu verbinden. Einzelhändler verteidigen damit ihre eigenen Markt- anteilspfründe, können aber auch durch ihre Vor-Ort-Präsenz Pro- bleme wie Paketannahme, Umtausch und Ausprobieren zeiteffizien- ter und umweltverträglicher als die reinen Onlinehändler lösen. Ob sie das Rennen gegen die prall gefüllten Kriegskassen der Pure Player gewinnen, ist letztlich auch eine Frage weitsichtiger Investi- tion in Software, Immobilien und Kommunikation. Rahel Willhardt schreibt seit zwölf Jahren als selbststän- dige Journalistin für überregionale Tageszeitungen, Fach- zeitschriften und Magazine. Mittlerweile zählt sie zu den etablierten Fachautorinnen für Handel, Architektur, Immo- bilienwirtschaft und Marketing. Dabei folgt Frau Willhardt zwei Maximen: Artikel sollen informativ und unterhaltsam sein (Fachfeuilleton) und Storys einen Blick über den gewohnten Tellerrand wagen. DIE AUTORIN DEUTSCHEEUROSHOPGESCHÄFTSBERICHT2013/SHOPPING 027